Wie alles begann
Wie jedes Kind war ich voller Bewegungsdrang und wollte viel Neues entdecken.
Von klein auf trieb ich viel Sport in verschiedenen Sportarten.
Im Alter von drei Jahren bekam ich von meinen Eltern die ersten Holzski mit Lederbindung zu Weihnachten geschenkt. Daraufhin entdeckte ich die Leidenschaft für das Skifahren. Jeden Tag nach der Schule ging ich auf meinen Hausberg in Skoczow (Schlesien) und fuhr bis in die Abendstunden Ski. Außerdem begann ich als Sechsjähriger in meinem Heimatklub „Beskid Skoczow“ Fußball zu spielen. Dieser Sport wurde zu meiner zweiten großen Leidenschaft.
Als Kind wollte ich immer Ski Slalom-Weltmeister und Fußballprofi werden. Die Fußballkarriere reichte später bis in die zweite polnische Bundesliga und für die Einberufung in die U18 Nationalmannschaft.
Als ich 16 war, endete meine Skikarriere. Ich war damals in meiner Altersklasse erfolgreich und fuhr viele nationale Nachwuchsrennen, die ich alle, bis auf zwei, gewann.
Um mir die erstrebte internationale Skikarriere zu ermöglichen, hätten meine Eltern jedoch viel Geld in meine weitere Skikarriere investieren müssen. Es war die Zeit des Kommunismus und die finanziellen Mittel meiner Eltern waren beschränkt. Somit war meine internationale Skikarriere beendet, bevor sie überhaupt begonnen hatte. Aufgrund dieser bitteren Tatsache war ich am Boden zerstört und sehr traurig.
Eines Abends, es war ein tief verschneiter Winter, setzten sich meine Eltern mit mir gemeinsam an einen Tisch und wir führten ein konstruktives Krisengespräch.
Mein Vater erzählte mir, dass fast jede sozialistische Firma in unserer Gegend (Beskidy Gebirge) einen Skibob-Klub besäße. Die Firmenangestellten, die Arbeiter und die Familienangehörigen konnten kostenlos jedes Wochenende mit einem firmeneigenen Autobus zum Skigebiet fahren, um Skibobfahren zu trainieren. Außerdem bekäme jeder einen firmeneigenen Skibob und Fußski kostenlos zur Verfügung gestellt. Meine Begeisterung hielt sich noch in Grenzen. Meine Eltern schlugen mir vor, einen Skibob nach Hause zu bringen, um es auszuprobieren.
Ich war damit einverstanden. Ein paar Tage später, es war ein Freitag, stand ein alter Skibob der Marke Fritzmeier im Haus. Ich betrachtete dieses Gerät den ganzen Abend lang mit Skepsis. Aufgrund meiner Nervosität konnte ich nicht schlafen, weil ich am nächsten Tag in der Früh zu meinem ersten Skibobtraining fahren sollte. Am nächsten Morgen ging ich frühzeitig und zu Fuß zu der Firma, für die mein Vater arbeitete. Die erste Herausforderung war, mit dem 35 Kilogramm schweren Gepäck auf meinem Rücken und in den Händen, den Treffpunkt zu erreichen. (Zum Vergleich: Heute wiegt ein Skibob nur mehr um die 7 kg!)
Mit circa 50 Personen im Bus und 50 Skibobs auf dem Dach des Autobusses erreichten wir das Skigebiet. Wie so oft funktionierte der Skilift nicht und so stapften wir im Schnee die 500 Meter mit dem Skibob die unpräparierte Piste hoch. Während des nach oben Gehens gingen wir in den Wald, um Holzstangen für die Tore zu hacken. Nachdem wir die Tore gesetzt und die Betreuer sich mit Stoppuhren und Funkverbindung positioniert hatten, starteten die ersten Rennläufer mit ihren Trainingsläufen. Ich wartete im Startbereich vergeblich, dass ein Trainer mir Tipps und Anweisungen zur Skibobtechnik gebe. Schließlich fragte ich einen Rennläufer schüchtern, ob er mir die Skibobtechnik erklären könne. Daraufhin antwortete er: „Setz dich auf den Skibob und fahr einfach zwischen den Toren runter“. Das war seine sehr aufschlussreiche Einführung zum Thema Skibobtechnik. Also setzte ich mich auf meinen alten Skibob und startete, als letzter Läufer und mit null Ahnung, in meinen allerersten Trainingslauf. Ich war schon immer ehrgeizig gewesen, und so stürzte ich mich mit voller Geschwindigkeit und ohne Angst von Tor zu Tor die Piste hinunter. Dabei versuchte ich, meine Skitechnik auf den Skibob umzulegen.
Jede Laufzeit wurde von den Trainern gestoppt. Nach der Ziellinie wollte ich sofort meine Laufzeit wissen und fragte die Trainer nach der Zeit. Es war die zweitbeste Laufzeit von allen Teilnehmern. Die Trainer meinten aber, dass sich ein Fehler bei der Zeitnehmung eingeschlichen hätte. Bei diesem Training nahmen Rennläufer teil, die zu diesem Zeitpunkt internationale Skibobrennen in der Eliteklasse fuhren. Daher zweifelten sie meine sehr gute Laufzeit an. An diesem Tag fuhren wir insgesamt fünf Durchgänge. Bei jedem weiteren Lauf steigerte ich mich und fuhr viermal Laufbestzeit. Die Trainer schauten dumm aus der Wäsche und konnten oder wollten es nicht wahr haben, dass ein Anfänger gleich bei seinen ersten Versuchen arrivierte Rennläufer in die Schranken wies.
Müde, aber voller Stolz, kehrte ich zurück nach Hause. Meine Leidenschaft für den Skibobsport wurde an diesem Tag im Jahre 1978 geweckt.
Foto: Weltcup Rennen in den 80er Jahren in Szczyrk (Schlesien).
Gemeinsam mit meinem Neffen Rafal und meinem Vater Boleslaw.
Am nächsten Tag fragte mich mein Vater, ob ich Mitglied im Skibob Klub „Beskid Skoczow“ werden und in einer Woche an der Staatsmeisterschaft in Ustron teilnehmen mochte. Voller Euphorie sagte ich zu und wurde eine Woche später dreifacher Vize-Staatsmeister in der Jugendklasse.
Foto: Internationales SL–Rennen Ende der 70er Jahre
Am Dienstag danach erfuhr ich aus der Zeitung, dass ich in das Jugend-Nationalteam einberufen worden war und nahm eine Woche später bei den Jugend Europameisterschaften in der damaligen Tschechoslowakei teil. Mir gelangen in vier Disziplinen jeweils Plätze unter den ersten Zehn. Die Woche darauf durfte ich bei der Jugend Weltmeisterschaft in Piesendorf (Österreich) teilnehmen. Im Slalom wurde ich dritter, wurde aber nachträglich, ohne Bekanntgabe von Gründen, disqualifiziert. Der Boden wurde mir unter den Füßen weggerissen. Diese Enttäuschung verwandelte ich in meine Motivation, Skibob-Weltmeister zu werden.
Ich kehrte zurück nach Hause und begann, jeden Tag akribisch zu trainieren.
Als junger Skibobfahrer erkannte ich jedoch, dass meine Trainer und Betreuer
zu wenig über Skibobtechnik und Skibobequipment wussten, um uns junge Skibobfahrer in unserer Entwicklung weiter voran zu bringen. Trotzdem schätzte ich ihr Engagement und ihre Leidenschaft für den Skibobsport. Ich begab mich daher auf die Suche nach Skibob-Wissensquellen. Es gab weder Skibobliteratur, noch gab es Internet. Ich suchte lange und kam schließlich zur Erkenntnis, dass es keinerlei Lernunterlagen gab. Meine einzige Möglichkeit, mehr über die Skibobtechnik zu lernen, war, die besten Skibobfahrer der Welt zu beobachten und zu analysieren. Ich wollte verstehen, warum sie schneller als andere, vor allem aber, warum sie schneller als ich waren. Meine Beobachtungen und meine peniblen Analysen trugen bald Früchte. Ich begann, noch härter und professioneller zu trainieren, und wurde immer schneller und sicherer zwischen den Toren. Allerdings reichten mein hartes Training und meine besser gewordene Skibobtechnik nicht aus, um mit der Weltspitze mithalten zu können.
Denn es gab noch ein weiteres großes Problem zu lösen. Mein Skibobmaterial war sehr alt und nicht konkurrenzfähig.
Mein Verein hatte keine professionellen Skibobs und meine Eltern nicht ausreichend Geld, mir einen zu kaufen.
Meine Lösung für dieses Problem war: „Ich gehe in unseren Keller und baue mir selber einen geeigneten Skibob“. Skibob bauen? Leichter gesagt, als getan! Ich hatte keine Ahnung von Skibobgeometrie und allem, was dazu gehörte. „LEARNING BY DOING“ wurde zu meinem Motto.
In all den Jahren des Tüftelns und Entwickelns erlebte ich unzählige Rückschläge. Aber ich gab nie auf! Jede Änderung am Skibob musste auch auf dem Schnee getestet werden.
Meine Eltern hatten kein Auto, daher musste ich den Bus nehmen, um mit meinem
selbstgefertigten Skibob zum Skilift zu gelangen. Ich packte mein 35 Kilo Gepäck (der Skibob alleine wog schon 25 Kilogramm) und ging 30 Minuten zur Bushaltestelle. In einer Stunde Fahrt beförderte der Bus mich näher zu meinem Ziel. Ab der letzten Bushaltestelle trennten mich noch 45 Gehminuten vom Skilift. Auf dem Weg begann das Zittern: Ist der Schlepplift in Betrieb, oder muss ich den Skibob wieder die 500 Meter hochschieben? Hatte ich Pech und der Lift war außer Betrieb, so konnte ich zumindest den Kurs mit meinen Holzstangen schon während des Hinaufgehens stecken.
Foto: Auf dem Weg zum Training in Brenna (Schlesien) Ende der 70er Jahre
Foto: Nach einem Training in Brenna (Schlesien) Ende der 70er Jahre
Leider kam es immer wieder vor, dass bei den ersten Testfahrten meine Skibobkonstruktion kaputt ging. Hatte ich besonders viel Pech, brach der Skibob schon während der ersten Fahrt auseinander. Die Enttäuschung war nach jedem Misserfolg groß, und die Heimreise noch mühsamer.
Doch im Laufe der Zeit kamen die erhofften Testerfolge. Ich konnte meinen Skibob über die Jahre hinweg kontinuierlich verbessern. In tausenden Arbeitsstunden eignete ich mir ein enormes Wissen an und sammelte viel Erfahrung.
Schon als Kind wollte ich immer in Österreich, im Land meiner Vorfahren, leben. Dieses wunderschöne Land der Berge und seine Sprache faszinierten mich von klein auf.
Dies rührte von den Erzählungen meines Großvaters her. Auf Deutsch hatte er mir die Berge in Österreich und die österreichische Kultur nahe gebracht.
Anfang der achtziger Jahre besuchte ich ein romantisches Dorf in Österreich namens Dorfgastein, wo jedes Jahr der Skibob Weltcup-Auftakt stattfand.
Fünf Jahre hintereinander übernachtete ich jedesmal am Bauernhof der Familie Strobl.
In diesen Jahren entstand zwischen der Familie Strobl und mir eine Freundschaft.
Als ich mich entschloss, das sozialistische Polen – auf abenteuerlicher Weise – zu verlassen, floh ich nach Österreich, mit meinen gesamten Ersparnissen von 500 Schilling (€ 35), und schlug meine Zelte bei der Familie Strobl in Dorfgastein auf.
Ich hatte viel Glück und durfte bei ihnen in einem kleinen Zimmer ihres alten Holzhauses kostenlos wohnen. Gerne half ich im Kuhstall mit, der sich unmittelbar in der Nähe meines Zimmers befand, als Dankeschön für ihre Gastfreundschaft. Schon in der ersten Woche meines neuen Lebens bekam ich mit Hilfe der Familie Strobl eine Arbeit als Physiotherapeut und Sportwissenschaftler in einem Kurhotel.
Ich fragte beim „Skibob Klub Bad Hofgastein“ um eine Mitgliedschaft an und wurde herzlich aufgenommen. Ich trainierte hart und bekam bald die Möglichkeit, mit dem österreichischen Skibob National Team in Innerkrems zu trainieren. Ich war so glücklich, dass ich mit den Besten der Besten trainieren durfte. Von den Athleten und den Betreuern der Nationalmannschaft wurde ich positiv aufgenommen und fühlte mich gut integriert.
Im Schnellverfahren erhielt ich dann auch die österreichische Staatbürgerschaft und mein Traum, Österreicher zu werden, wurde wahr.
Mein Skibobfahren wurde kontinuierlich besser und so bekam ich die Möglichkeit, den Verein zu wechseln. Mein neuer Verein „Skibob Union Linz“, mit seinem damaligen Präsidenten Gerhard Hauer, half mir organisatorisch und finanziell. Dadurch konnte ich an den nationalen und internationalen Rennen teilnehmen.
Im Jahr 1992 gründete ich meine eigene Firma in Saalfelden (Österreich). Bis 1996 trainierte ich neben meiner Arbeit fünf Tage in der Woche, meistens in den Mittagspausen und am Abend. Ich wurde bei den Skibob Weltmeisterschaften in Semmering (Österreich) und in Mals (Italien) vierfacher Skibob Weltmeister in meiner Klasse.
Während der Saison 1995/96 beschloss ich aus beruflichen Gründen meine Skibobkarriere nach dem Weltcup Finale in Destne (Tschechische Republik) zu beenden. Mein allerletzter Rennlauf war das Finale des Parallelslaloms. Mein Gegner war Markus Moser, der im Laufe seiner Karriere zum erfolgreichsten Skibobfahrer aller Zeiten werden sollte. Zur Hälfte des Rennens lag ich deutlich vorne und nichts sollte mich von meinem letzten Karrieresieg abhalten. Mit dem letzten Sprung und vier Tore vor dem Sieg geriet ich mit dem linken Fußski in ein tiefes Schneeloch. Ich stürzte schwer. Die Folge war eine vierstündige Operation meines Knies.
Nach Ende meiner aktiven Karriere als Rennläufer wurde ich vom österreichischen Skibobverband (ÖSBV) als Bundestrainer über fünf Jahre immer wieder aufs Neue engagiert und durfte mich über viele großartige Erfolge meiner Schützlinge freuen.
Danach war ich acht Jahre als Sportdirektor für den Internationalen Skibob Verband (FISB)
tätig und half, parallel dazu, dem Amerikanischen Skibike Verband das amerikanische Nationalteam aufzubauen. Während dieser Zeit feierte ich auf dem amerikanischen Schnee mein Skibob-Comeback als Rennläufer und konnte dabei viele Siege beim „Skibike North Stars Cup“ Rennen einfahren.
Seit 1992 entwickle und baue ich Skibobs für den Breitensport, den Rennsport und für Menschen mit Behinderung. In meiner Skibob Akademie unterrichte ich Skibobfahrer in Kursen und bilde Personen zum „Skibobinstruktor“ und „Skibobinstruktor für Menschen mit Behinderung“ aus.
Die Faszination für den Skibobsport begleitet mich seit meinem ersten Skibobtraining auf meinem Hausberg bis zum heutigen Tag. Ich genieße heute noch jeden Moment auf meinem Skibob und fühle mich wie der Junge, der seine Skibobträume hatte.
Foto: Mein Cousin Janusz (rechts) und ich Anfang der 80er Jahre
Foto: Internationales Rennen in Brenna (Schlesien), noch ohne Helmpflicht, Ende der 70er Jahre,
mit meinem selbstgebauten Skibob.
Foto: Internationales RTL-Rennen Ende der 70er Jahre
Foto: Mein erstes Weltcup Rennen Anfang der 80er Jahre.
Foto: Internationales SG-Rennen Anfang der 80er Jahre mit selbst gemachten Skihandschuhen.
Foto:Weltcup Finale in Szczyrk (Schlesien) in den 80er Jahren
Foto:Österreichisches National Team beim Weltcup Finale in Grächen (Schweiz)
in den 90er Jahren (Stalmach zweiter von rechts)
Foto: Kursbesichtigung mit dem österreichischen National Team bei einer Weltmeisterschaft
in den 2000er Jahren (Stalmach erster von rechts).